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T05: Interaktion am Standort

In dieser Tutoriumssitzung geht es um Fragetypen und -techniken, die über die Kommunikation und Interaktion zwischen Guide und Teilnehmenden entscheiden. Offene Fragen aktivieren die Teilnehmenden, brechen das Eis zwischen Tourguide und Teilnehmenden und beziehen die Teilnehmenden aktiv in das Geschehen ein. Geschlossene Fragen hingegen grenzen Guide und Teilnehmende voneinander ab und betonen das hierarchische Verhältnis zwischen Leitung und Teilnehmenden. Grundlegende Aufgabe von Tourguides teilnehmer*innenorientierter Überblicksexkursionen ist es daher, die Ansprachen an den einzelnen Exkursionsstandorten auf die Teilnehmenden zu zentrieren und sie aktiv in die Wissensvermittlung einzubinden. Heute setzen Sie sich aktiv mit der Frage auseinander, welche Fragetypen sich für teilnehmer*innenorientierte Überblicksexkursionen eignen und welche weniger. Ausgehend davon entwickeln Sie eigenständig geeignete Fragen.

Teil I: Fragetypen und -techniken

  1. Setzen Sie sich mit den unten aufgelisteten unterschiedlichen Fragetypen und -techniken auseinander.
  2. Kategorisieren Sie die in solche, die sich für teilnehmer*innenorientierte Überblicksexkursionen eignen und solche, die sich weniger eignen. Begründen Sie ihre Entscheidungen unter Berücksichtigung der unten auf gelisteten Kniffe und Fallstricke.

Teil II: Fragestellung

In dem vorherigen Tutorium T04 haben Sie sich mit der Standortkonzeption befasst, sich für einen Standort auf dem Campus Westend entschieden und zu der von Ihnen ausgewählten Problemstellung Recherchen angestellt. Im Folgenden entwickeln Sie Fragestellungen, mit denen die Teilnehmenden aktiviert und in die Wissensvermittlung an den von Ihnen ausgearbeitetem Standorten eingebunden werden können.

  1. Beschreiben Sie, was Sie im Dialog mit der Gruppe beachten müssen, um eine konstruktive und respektvolle Diskussion zu fördern.
  2. Erläutern Sie, warum die Frage „Ist es in der Stadt im Sommer wärmer als im Umland?“ in teilnehmer*innenzentrierten Exkursionen vermieden werden sollte. Entwickeln Sie stattdessen eine Fragestellung, mit der die Teilnehmenden aktiviert werden.
  3. Ein Ziel von Fragen während einer Exkursion ist es, einen Dialog entstehen zu lassen. Der Austausch soll nach Beantwortung der Frage nicht abbrechen, sondern die Teilnehmenden aktivieren. Entwerfen Sie für Ihren Standort drei Fragen unterschiedlichen Typs, mithilfe derer Sie auf Basis der thematischen Eigenschaften des Standorts in einen Dialog mit den Teilnehmenden treten könnten.

Die unterschiedlichen Fragetypen und -techniken: Potenziale für teilnehmer*innenorientierte Exkursionen

Teilnehmer*innenorientierte Exkursionen basieren auf der Interaktion zwischen den Teilnehmenden untereinander und den Teilnehmenden und der*dem Tourguide. Interaktion meint, dass sich die Handlungen der*des Tourguide und die Handlungen der Teilnehmenden der Exkursion wie in einem Dialog aufeinander beziehen. Zentrales Werkzeug dafür sind aktivierende Fragen, die aus einem Monolog einen Dialog machen und die Exkursion auf die Teilnehmenden zentriert. Bestimmte Fragetypen eigenen sich dafür besonders gut, andere weniger. Während offene, hinführende Frageformen die Gefragten aktivieren, einen Dialog zwischen Guide und Teilnehmenden anstoßen oder begünstigen, können geschlossene Fragetypen zu einem Abbruch des Gesprächs führen und die Teilnehmenden brüskieren und schlimmstenfalls Einzelne vor der Gruppe bloßstellen.

Mit Blick auf teilnehmer*innenorientierte Exkursionen differenzieren Glasze, G. & F. Weber (2012) zwischen verschiedenen Fragetypen, die sich unterschiedlich auf die Interaktion zwischen Guide und Teilnehmenden auswirken. In der folgenden Tabelle werden verschiedene Fragetypen und -techniken aufgezeigt und an Beispielen zum Thema „Stadtklima - der urbane Hitzeinseleffekt“ konkretisiert.

Fragetyp Erläuterung
Beispielfrage(n) zum Thema Stadtklima - der urbane Hitzeinseleffekt
Fragewirkung, Fragetechnik
1. Ja/Nein-
Fragen
Fragen die nur „ja“ oder „nein“
als Antwort zulassen

- Ist der Riedbergplatz Beispiel für den urbanen Hitzeinseleffekt?
- Kann durch Frischluftschneisen strömende Kaltluft aufgehalten werden?
• Vermeiden, da sie nie weiterführen!
2. Reine Wissensfragen W-Fragen: Wann? Wo? Wer?
Wessen?

- Wann wurde der Frankfurter Grüngürtel angelegt?
- Wo verlaufen in Frankfurt Frisch- bzw. Kaltluftschneisen?
- Wessen Idee war die Entsiegelung des Paul-Arnsberg-Platzes?
• Unbedingt vermeiden, da sie nie weiterführen!
• Es gibt nur „richtig“ oder „falsch“
• Können Teilnehmer*innen brüskieren („für dumm verkaufen“)
• In Schul-/Kinderführungen manchmal sinnvoll
3. Hinführende Wissensfragen Fragen der Selbstinformation:
Warum? Wie? …

- Warum ist es an der Nidda und am alten Flugplatz in Bonames mit 25°C vergleichsweise
kühl, während das Thermometer in der Innenstadt zeitgleich bis zu 33°C anzeigt?

- Mit welchen Maßnahmen können Stadt- und Raumplanung dem urbanen Hitzeinseleffekt entgegenwirken?
- Wie können die Frankfurt Bürger*innen positiv zum Stadtklima beitragen?
• Bei falschem Einsatz Folgen wie bei reinen Wissensfragen,
daher gewählt stellen und vorsichtig
mit Antworten umgehen (es sollte keine „falsche“
Antwort geben)
• Können die Teilnehmenden in früher Phase zum Mitreden auffordern
• Bevorzugt in Bereichen stellen, mit denen sich die Teilnehmenden
schon beschäftigt haben (auf Führung oder alltagsweltlich)
4. Entscheidungs-,
Alternativfragen
Fragen, die Stellungnahmen
verlangen

- Hat die dunkelgraue Fassadenfarbe dieses Hauses Einfluss auf das Stadtklima?
- Mit Blick auf das Stadtklima, was sollte Ihrer Meinung nach priorisiert werden, der Ausbau von Fahrrad(schnell)wegen oder der ÖPNV-Infrastruktur?
• Es gibt - bei richtigem Einsatz - keine
„falschen“
oder „richtigen“ Antworten
• Regen zum Nachdenken und Mitdenken an
• Spannen mindestens 2 Stränge auf, die weiterverfolgt
werden können/müssen
• Bevorzugt in Bereichen stellen, mit denen die Teilnehmenden
sich schon beschäftigt haben (auf Führung
oder alltagsweltlich)
5. Herausfordernde
Fragen
Fragen, die eine positive oder negative Reaktion provozieren
- Der Wideraufbau der Frankfurter Altstadt wurde kontrovers diskutiert. Was halten Sie vom pikfeinen
Disneylandflair und der Fake-Architektur im Hinblick auf das Stadtklima?

- Wie stehen Sie zu dem Aus sogenannter Schottergärten in Frankfurt?
• Können Gruppe „aufwecken“, stimulieren
• Immer (durch Nachfragen) eine genaue Begründung
fordern
• Grundwerte oder politische Ideologien
vorsichtig diskutieren (kein Bloßstellen, keine Verletzung
persönlicher Werte)
• Fragen weitergeben „Sehen die anderen das
genauso?“
6. Rhetorische
Fragen
Fragen „ohne Antwort“, die den Vortrag auflockern/gliedern
- Wer möchte daran zweifeln, dass das Ver- und Entsiegeln von Flächen nachhaltig das Stadtklima beeinflusst?
• Bei längeren frontalen Informationsphasen einsetzen
• Regen Teilnehmer zum Mitdenken an
• Nonverbale Reaktion der Teilnehmenden kann Auskunft
über Erfolg oder Misserfolg des „Vortrags“
geben
7. Streitfragen Fragen, die unterschiedliche Meinungen herausfordern
- Wie beurteilen Sie den Paradigmenwechsel weg von der Versiegelung hin zur Entsiegelung und Begrünung versiegelter Flächen?
- Wie bewerten Sie Frankfurts Neue Altstadt im Hinblick auf das Thema „Stadtklima“ und den urbanen Hitzeinseleffekt?
• Stärkstes Mittel der teilnehmer*innenorientierten Führung,
Exkursionsleiter wird zum Moderator
• Diskussionen sachlich führen, evtl. versachlichen
• Verdeutlichen die Vielschichtigkeit bestimmter
Probleme
• Vorher gut überlegen, ob Streitpunkte vorliegen
8. Divergente
Fragen
Fragen, die neue Blickwinkel eröffnen
- Angenommen, Sie würden über die Bebauung eines neuen Stadtteils im Frankfurter Nordwesten entscheiden. Was würden Sie im Vergleich zur Erschließung des Frankfurter Riedbergs anders machen?
- Stellen sie sich vor, das nördliche Mainufer sei zwischen Eisernem Steg und Alter Brücke dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt. Wie würden Sie die alte Fahrbahn neu-/umgestalten?
• Geben die meisten Anregungen zur Diskussion/
Führung
• Tour Guide ist Moderator
• Verdeutlichen die Vielschichtigkeit bestimmter
Probleme
• Erfordern Geschick, da mit allen Antworten gearbeitet
werden muss
9. Analytische
Fragen
Fragen, die zum Beobachten auffordern
- Beobachten Sie das Wasserspiel des Lucae-Brunnen vor der Alten Oper und überlegen Sie, welche Auswirkungen Wasser auf das Stadtklima hat.
- Beobachten Sie für ein paar Minuten das Treiben auf der Fressgass. Welche Bevölkerungsgruppe(n) ist/sind hier zugegen? Woran machen Sie dies fest? Welchen Einfluss hat/haben die Bevölkerungsgruppe(n) auf das Stadtklima? Am nächsten Standort vor der Börse wollen wir das Ergebnis Ihrer Beobachtungen gemeinsam diskutieren.
• Die Teilnehmenden lernen, zu sehen, zu beobachten und zu analysieren
• Beobachtungsaufträge bringen häufig „Aha-Effekt“
• Beobachtungsaufträge unbedingt einlösen und
mehrere Teilnehmende aktiv in die Diskussion der Beobachtungen einbeziehen

Quelle: Verändert und überarbeitet nach Glasze, G. & F. Weber (2012): Exkursionsdidaktik. Erlanger Skripte zum Geographiestudium Bd. 2, Erlangen: Institut für Geographie. S. 14 f.

Kniffe und Fallstricke

Aktivierende Fragen bieten die Möglichkeit, die Teilnehmenden aktiv in die Exkursion einzubeziehen. Ihre Erfahrungen, Meinungen und Eindrücke bereichern dabei zum einen die Erfahrung der Exkursion, zum anderen erhält die Exkursionsleitung dadurch eine unmittelbare Rückmeldung der Teilnehmenden, wodurch die Exkursion auch vor Ort noch besser auf die Gruppe abgestimmt werden kann. Neben geeigneten Fragetypen (M03-1: Fragetypen und -techniken) kommt es aber auch darauf an, wie die Fragen vermittelt werden. Die wichtigsten Punkte dabei sind:

  • Fragen sollen weiterführen;
  • deutlich und präzise fragen;
  • nicht mehrere Dinge auf einmal fragen;
  • mindestens drei Sekunden auf Antwort warten;
  • keine Antworten in die Frage legen;
  • Einzelgespräche vermeiden;
  • alle Beiträge/Antworten wertschätzen und berücksichtigen.

Quelle: Glasze, G. (2009): Training teilnehmerzentrierter Exkursionskonzepte im Verein "Geographie für Alle" und in der geographischen Hochschullehre. In: Dickel, M. & G. Glasze (Hrsg.): Vielperspektivität und Teilnehmerzentrierung - Richtungsweiser der Exkursionsdidaktik. Praxis Neue Kulturgeographie Bd. 6. Münster: LIT, S.170.

courses/studierende/l/gisa/tutorium/t05.txt · Zuletzt geändert: 2025/04/01 09:00 von deka