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M04-5: ZEIT-Artikel - Abschnitt 4

Textauszug 4 aus dem Text "Die Hungertreiber. Ist Biosprit aus essbaren Pflanzen das ökolo-gische Patentrezept?" von HANS SCHUH aus der Wochenzeitschrift »Die Zeit« vom 23. August 2012.

„Aber ist die Tankfüllung vom Acker dann wenigstens aus ökologischer Sicht sinnvoll? Auch hier mehren sich die kritischen Stimmen – mit guten Argumenten. Denn die Expansion wird riesige Flächen beanspruchen. Für Deutschland ist das Projekt besonders heikel: Es müsste seinen Zusatzbedarf weitgehend über Importe abdecken.

Weil Biosprit oft keine positive Treibhausbilanz aufweisen kann und zudem die Umwelt schädigt, urteilte kürzlich die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) nach einer gründlichen Analyse, Bioenergie könne für Deutschland keinen nachhaltigen Beitrag zur Energiewende leisten. Daher sei kein weiterer Ausbau anzustreben. Die EU solle ihren Plan überdenken, bis 2020 zehn Prozent aller Treibstoffe auf Biomasse umzustellen. Konkret heißt es in der Studie zu den neuen Kraftstoffen: »Die Produktion von Bioethanol aus Zuckern und Stärke sowie von Biodiesel aus Pflanzenölen konkurriert lokal und global mit der Produktion von Nahrungsmitteln.« Deshalb seien »diese Verfahren in dicht besiedelten Gegenden wie Mitteleuropa oder China ethisch schwer zu rechtfertigen«. Darum habe China die Ethanolproduktion aus essbaren Pflanzen bereits verboten.

Man sollte meinen, dass das Urteil der ranghöchsten deutschen Wissenschaftsinstitution auch die Energiestrategen in Brüssel zum Nachdenken bringt. Eine Anfrage an den zuständigen Energiekommissar Günther Oettinger , was er zur Kritik der Leopoldina sage, beantwortete seine Presseabteilung so: »Verschiedene Studien kommen zu verschiedenen Ergebnissen, abhängig von den Annahmen.« Immerhin arbeite die EU-Kommission »derzeit an einer Folgenabschätzung zum Thema Biokraftstoffe unter Einbeziehung der indirekten Landnutzungsänderung«. Die federführenden Kommissare Oettinger und Hedegaard würden »baldmöglichst ihre Vorschläge vorlegen«.

Das Versprechen, »baldmöglichst« Vorschläge zu liefern, ist viele Monate alt. Dahinter steckt ein ungelöster Streit, wie die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen generell zu beurteilen sei.

Die Biokraftstofflobby beruft sich auf Nachhaltigkeitszertifikate. Doch die Scheine sind wenig wert. Sie berücksichtigen nicht, dass die Produktion von Biomasse zu indirekten Landnutzungsänderungen (ILUC, Indirect Land Use Change) führen kann. Mag der Acker in Brasilien oder Indonesien, auf dem nun Soja, Mais oder Ölpalmen für den Spritdurst deutscher Autos wachsen, auch schon vorher existiert haben. An anderer Stelle wurden Regenwälder gerodet, Sümpfe trockengelegt, wurde Grasland umbrochen, um Ersatz für die Ackerfläche zu schaffen, die nun der Energieproduktion dient.

Solche indirekten Änderungen sind notorisch schwierig einzuschätzen, weil eine Produktionsumstellung in Brasilien oder Indonesien auch dazu führen kann, dass nun im fernen Afrika verstärkt Land unter den Pflug kommt, um den Nahrungsmittelbedarf von Südamerikanern oder Ostasiaten zu stillen. In Afrika haben seit dem Jahr 2000 mehr als 130 Millionen Hektar Land den Besitzer gewechselt – das entspricht gut dreieinhalb mal der Fläche Deutschlands. Riesengebiete wurden von Investoren aufgekauft oder für Jahrzehnte gepachtet, ohne dass wichtige Rahmenbedingungen wie Umweltauflagen (falls vorhanden) oder Konzepte der Wassernutzung offengelegt wurden.

Energieplanzen für Teller, Trog und Tank

Soja ist die weltweit bedeutendste Ölsaat . Zwei Prozent der Ernte dienen menschlicher Ernährung.

Raps ist unser wichtigster Biodiesel-Lieferant. Die heimische Anbaufläche hat sich in 30 Jahren fast verhundertfacht.

Palmöl kommt meist aus Asien, dient großteils der Ernährung. Als Biodiesel ist es stark umstritten.

Mais nährt Menschen und Tiere. Das Süßgras dient zunehmend auch als Quelle für Ethanol und Biogas.

Zuckerrübe wird als Industriezucker oft vergoren zu Ethanol. Liefert Viehfutter und zunehmend Biogas.

Weizen ist wichtig als Brotgetreide und für die Tiermast. Wird auch zu Ethanol vergoren.

Zuckerrohr liefert Haushaltszucker und zunehmend Ethanol; hat hierbei die beste Klimabilanz.“

courses/sus/biosprit/material/m04-5.txt · Zuletzt geändert: 2016/06/20 17:45 von deka