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M04-7: ZEIT-Artikel - Abschnitt 6

Textauszug 6 aus dem Text "Die Hungertreiber. Ist Biosprit aus essbaren Pflanzen das ökolo-gische Patentrezept?" von HANS SCHUH aus der Wochenzeitschrift »Die Zeit« vom 23. August 2012.

„Zertifizierung umstritten, technische Lösungen in weiter Ferne – wie konnte es überhaupt zu jenem politischen Boom der Biotreibstoffe kommen? Der angeblich umweltfreundliche Biosprit war die Basis einer Vision, die bereits 1998 entstand. Ihr Ziel lautete, ähnlich wie mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz im Strombereich, auch den Mobilitätssektor ökologisch zu modernisieren.

Dass das prinzipiell möglich ist, schien zunächst vor allem der Biodiesel zu zeigen: Dank hoher Steuerprivilegien hatte sich ein mittelständisch geprägter Markt für den regional angebauten und verarbeiteten Ökotreibstoff gebildet. Weil davon an den wenigen Tankstellen mit reinem Biodiesel hauptsächlich Fuhrunternehmen profitierten, entstand Reformbedarf, auch aus Steuergründen. Ein Ziel war, möglichst alle an den Segnungen der Ökotreibstoffe teilhaben zu lassen und diese flächendeckend dem Benzin und Diesel beizumischen – ganz im Sinn der Mineralöl- und Autoindustrie. Der Stoff wird zwar dezentral verteilt, die Macht darüber aber zentralisiert und globalisiert. Das hat Folgen.

Zunehmend fluten Argentinien und Indonesien mit günstigem Biodiesel den Markt und verhageln damit den verbliebenen 22 heimischen Produktionsstätten das Geschäft. Die Argentinier haben mit staatlicher Unterstützung riesige Weideflächen umgepflügt und bauen Soja an. Statt die Bohnen zu exportieren, gewinnen sie daraus Diesel, das erhöht die Wertschöpfung im Land.

Der europäischen Mineralölindustrie ist die Herkunft des Treibstoffs eher gleichgültig, sie kauft billigen Importsprit, egal, ob aus Argentinien oder Indonesien. Für sie spielt es keine Rolle, ob der Kraftstoff aus Soja- oder Palmöl, aus Raps, Weizen, Mais, Zuckerrohr oder -rüben stammt. Schon ist ein Biodieselkrieg entbrannt. Spanien hat ein Importverbot für argentinischen Biodiesel verhängt. Auch die Deutschen drohen die Konkurrenz unter Verweis auf die zweifelhafte Nachhaltigkeit und die staatlichen Subventionen juristisch auszuhebeln. Die Südamerikaner klagen bereits vor der Welthandelsorganisation WTO.

Wie auch immer das interkontinentale Gerangel ausgeht, die miserable Ökobilanz ihres Produkts und ihr Ruf als Hungertreiber könnte für die ganze Branche den Genickbruch bedeuten. Dann müsste die Autoindustrie die Ökologie in ihre Fahrzeuge einbauen, statt sie vermeintlich in den Tank zu füllen. Dirk Niebel hat offenbar begriffen, warum die Chinesen Biosprit verboten haben. Er fordert, »ethisch zu entscheiden, was wichtiger ist: die Ernährung der Weltbevölkerung oder das schnelle Autofahren in Deutschland«.“

courses/sus/biosprit/material/m04-7.txt · Zuletzt geändert: 2016/06/20 17:47 von deka